Mitte der 80er Jahre, nach langen Jahren der Wanderschaft durch Südamerika, wurde ich in Venezuela sesshaft und ziemlich schnell von der dortigen Kunstszene absorbiert. Caracas war damals ein blühender Schmelztiegel der Kulturen mit ungeahnten Ausdrucksmöglichkeiten für Kunstschaffende. Angezogen von der landschaftlichen Schönheit Venezuelas, unberührter Natur und idealen Bedingungen vor Ort kamen Künstler aus aller Welt. Es war die Zeit der internationalen Festivals. Kultur wurde groß geschrieben und alles war möglich.
Im opulenten Caracas 1989 kam es zu den ersten blutigen Aufständen und ich präsentierte mich zum ersten Mal mit einer Einzelausstellung in der eleganten Galerie VIA. Die Damen und Herren, die dort in ihren schwarzen Limousinen anrückten, meinten noch alles unter Kontrolle zu haben, was sich in nur zehn Jahren als fataler Irrtum herausstellen sollte.
Während meine Künstlerkollegen sich mehr und mehr nach New York oder Miami gezogen fühlten, stand mir der Sinn nach den unerforschten Gebieten südlich des Orinokos oder den schneebedeckten Anden. So führte ich ein Leben fernab von Caracas mit sporadischen Auftritten und Ausstellungen über meine neuesten Entdeckungen und indigenen Bekanntschaften. Ich beschäftigte mich intensiv mit Ethnologie, Anthropologie, Geschichte und Schamanismus, wovon die Arbeiten dieser Jahre Zeugnis ablegen.
Um die Jahrtausendwende eroberte der „Comandante“ die Macht und vergiftete systematisch das politische Klima, bis es im Jahr 2002 zum Generalstreik kam, der mit dem massiven Exodus von 300.000 Venezolanern endete. Auch ich zog mich auf die Insel Barbados zurück, wo ich an einem ethnohistorischen Kunstprojekt arbeitete. Da eine kleine Karibikinsel ein schwieriges Feld für Künstler ist, entschied ich mich zur Rückkehr nach Venezuela.
In den venezolanischen Anden in Mérida entwickelte ich eine Serie von Objekten und Skulpturen aus Autoschrott und anderen Recyclingmaterialien. Über eine Ausstellung kam ich in Kontakt mit einem der Direktoren der Erdölchemie, der mich bat, ein künstlerisches Sozialprojekt zu entwickeln. Mit einigen Künstlerkollegen gründeten wir daraufhin eine Stiftung und arbeiteten für die nächsten zwei Jahre an einer sozialen Skulptur a la Beuys in den tropischen Slums von Venezuela. Recht erfolgreich, undogmatisch, antiautoritär, zu schön, um gut zu gehn. Letztendlich Rückzug in die Anden.
Meine Designjobs der letzten Jahre für Hotels und Clubs sind sozusagen Konsequenz der Vertreibung von Künstlern aus dem öffentlichen in den privaten Raum. Doch selbst dieser unterliegt permanenter Bedrohung.
Kunst ist Kommunikation und wenn diese nicht mehr möglich ist, ist auch die Kunst tot. Der Entschluss, Venezuela zu verlassen, ist mir nicht leicht gefallen. Da ich von Ideen und Austausch mit anderen lebe und arbeite, hielt ich einen radikalen Bruch für notwendig und bin ohne zu zögern nach Berlin gezogen.
Hier in Berlin gibt es eine internationale Szene die mich inspiriert, auch wenn die Stadt an allgemeiner Übersättigung leidet. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Südamerika verbracht und verstehe diesen Kontinent viel besser als Europa, welches mich momentan, zumindest stimmungsmäßig, an das Venezuela der 90er Jahre erinnert. Deja vú: Die Gesellschaft im fragilsten Zustand. Es gibt viel zu überdenken und zu tun. Ich denke, dass sich genau hier auch der Ansatz für meine neue Schaffensphase befindet.